Ausverkauf der Wasserversorgung

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Investitionen sind jedoch unbedingt erforderlich, wenn der hohe Standard in der Wasserversorgung Deutschlands gewahrt werden soll und um Wasserverluste im Leitungssystem auf Dauer gering zu halten. Zur Zeit versickern hierzulande aus defekten Leitungen etwa neun Prozent des Trinkwassers im Erdreich. Dabei schneidet die deutsche Wasserwirtschaft im internationalen Vergleich noch sehr gut ab, weil in der Vergangenheit bereits hohe Summen in das Leitungsnetz investiert wurden. In den europäischen Nachbarstaaten liegen die Verluste mit etwa 30 Prozent in England, 27 Prozent in Italien und 25 Prozent in Frankreich wesentlich höher.

Das Klein-Klein der Versorgung

Eine weitere Argumentationsgrundlage für die Befürworter der Privatisierung bietet die äußerst kleinteilige Strukturierung der Wasserwirtschaft in Deutschland. Etwa 6.500 Wasserversorger sind auf kommunaler Ebene tätig, damit kommen umgerechnet etwa 80 Betriebe auf eine Million Einwohner. In Ländern wie Frankreich und England versorgt dagegen nur ein einziges Unternehmen die gleiche Anzahl von Kunden.

Wirtschaftskonzerne versuchen nun, kleinere kommunale Versorger zur Zusammenarbeit zu ködern, indem sie ihnen das Know-how des Unternehmens und Kostenvorteile wie beispielsweise Rabatte beim Einkauf von Rohrleitungsmaterial bieten. Sie argumentieren, dass auf diesem Wege Effizienzsteigerungen erreicht werden könnten, die unvermeidbar sind, weil die Branche derzeit aufgrund des rückläufigen Wasserverbrauchs sowie steigender Kosten vor enormen Anpassungsproblemen steht.

Sinkender Verbrauch

Seit den 80er Jahren ist der Trinkwasserverbrauch aufgrund neuer, wassersparender Technologien sowohl in der Industrie, als auch in den Privathaushalten, um fast ein Drittel gesunken und befindet sich heute etwa auf dem gleichen Stand wie Mitte der 50er Jahre. Die Ausgaben der Wasserbetriebe bestehen aber zu etwa 70 Prozent aus Fixkosten für das Leitungsnetz und steigen dagegen inflationsbedingt an. Als Folge dieser Entwicklung muss nach Aussagen von Fachleuten aus dem Finanzbereich damit gerechnet werden, dass allein in Bayern, wo es die größte Anzahl an Wasserversorgern gibt, nur etwa 800 von derzeit rund 2.700 Betrieben auf Dauer weiter existieren können.

Um der Herausforderung zu begegnen und eine Alternative zum Ausverkauf an Privatinvestoren zu schaffen, muss die kommunale Wasserversorgung sich selbst modernisieren. Inzwischen haben sich bereits Kooperationen von kommunalen Versorgern gebildet, um sich in ihrer Eigenständigkeit gegenseitig zu unterstützen. Strukturen und Arbeitsabläufe sollen optimiert und betriebswirtschaftlich nutzbringende Gemeinschaften über Zusammenschlüsse von Städten und Gemeinden in Zweckverbände oder andere selbstständige Unternehmensformen gebildet werden. So sind gemeinsamer Einkauf von Material, gebündelte Abrechnung sowie gemeinschaftliche Finanzierung hochwertigen Personals nur einige Beispiele, wie derartige Interessensgemeinschaften genutzt werden könnten.

Illusionen eines freien Marktes

Als eines von vielen Argumente gegen eine Privatisierung, bzw. Liberalisierung der Wasserwirtschaft wird vorgebracht, dass die oft beschworenen Vorteile, die ein freier Markt für den Kunden mit sich bringen soll, auf dem Wassersektor gar nicht umsetzbar seien. Anders als im Telekommunikationssektor oder bei den Stromanbietern ist ein funktionierender Wettbewerb aufgrund technischer Eigenschaften der Wasserversorgung und chemischer Voraussetzungen des Wassers kaum denkbar: Um einen Wettbewerb im Markt zu ermöglichen, müssten zum einen lange oder parallele, kostenintensive Leitungswege geschaffen werden. Zum anderen ist Wasser ein verderbliches Gut, das wegen unterschiedlicher Härtegrade schwer zu mischen ist und bereits nach rund 200 km Transport neu aufbereitet werden muss.

Diese Aspekte werden von der Privatwirtschaft kaum bestritten. "Wir streben keinen Wettbewerb im Endkundenbereich an", erklärt Röstel von der Gelsenwasser AG, Böttcher von RWE Aqua GmbH hält ihn höchstens bei großen Industrieunternehmen für umsetzbar. Demnach wäre die Folge einer Liberalisierung der Wasserwirtschaft lediglich ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern um den Markt. Private Unternehmen erhielten nach Aufhebung der Gebietsmonopole der Kommunen über Ausschreibungen eine Konzession für ein bestimmtes Versorgungsgebiet und würden dadurch ein Monopol privatwirtschaftlicher Art etablieren - ein Vorgang, den Kritiker als Scheinliberalisierung bezeichnen.

 

Teil IV: Nach bisherigen Erfahrungen in europäischen Nachbarländern gibt es noch keine nachprüfbaren Beweise, dass eine Öffnung der Wasserversorgung für den freien Markt tatsächlich zur Senkung der Gebühren für die Kunden führt. >>