Nebelfänger

Nebelkollektoren sind sogenannte moderne Low-Tech-und Low-Impact-Geräte. Richtig eingesetzt, können sie arme Regionen günstig, langfristig und relativ wartungsarm mit Wasser versorgen. Ein Beispiel für diese Anwendung ist die Region um den Berg Talinay in Chile. Wir sprachen mit Julia Schönhärl, einer freiwilligen Helferin bei diesem Projekt, über das Thema Wassergewinnung aus Bodennebel.

Isabell Reitberger & Ulrich Gönczi

 
   

 

(Foto: E. O. Hayes)

Frau Schönhärl, können Sie kurz erklären, wie ein Nebelfänger funktioniert?
In der semiariden Andenregion des Berges Talinay im Norden Chiles, in der nur 100mm Regen pro Jahr fällt, besteht durch die Nähe zum Meer eine hohe Nebeldichte, der sogenannte Gebirgsnebel. Dieser wird bei der Methode des "Nebelsammelns" genutzt: An großen, aufspannten Fasernetzen - sie sehen aus wie äußerst engmaschige Volleyballnetze - kondensiert das Wasser, wird anschließend in einem schmalen Becken gesammelt und in ein Reservoir geleitet, das zur Wasserversorgung dient.

Seit wann wird diese Methode angewandt?
1992 wurden an anderer Stelle in Chile, in El Tofo und in Chungungo, die ersten Projekte dieser Art begonnen, die heute mehr oder weniger Selbstläufer sind, das heißt von den Gemeinden weitgehend selbst getragen und instand gehalten werden können. 1999 initiierte die kanadische Familie Baehr, die das Land in Padre Hurtado gekauft hatte, das Nebelernteprojekt.

Julia Schönhärl

28 Jahre alt, Diplombetriebswirtin für Tourismus und Master of European Tourism Management, Mitglied bei Greenpeace. Ausserdem ist sie Mitglied bei Attac München und arbeitet in Chile mit CODEFF, der chilenischen WWF zusammen. Frau Schönhärl möchte noch zwei Jahre in der corporate world leben und arbeiten. Nach ihrer Rückkehr aus Latein Amerika würde sie gerne für eine Entwicklungshilfeorganisationen ins Ausland gehen um dort den Menschen zu helfen, ihre Natur und Umwelt langfristig zu schützen und nachhaltig zu bewirtschaften.

 

Kann diese Methode auch in anderen Regionen verwendet werden?
Ja, sofern die geografischen und klimatischen Bedingungen mit denen des chilenischen Nordens vergleichbar sind, ist Nebelsammeln eine Option. Weitere Projekte gibt es in Nepal und Haiti.

Wie viele Kollektoren sind bereits im Einsatz und wie viel Wasser fördern sie?
Zum heutigen Zeitpunkt sind zehn Nebelsammler in Gebrauch, wobei eine Ausweitung der Anlage um nochmals zwölf nötig ist, um die Bedürfnisse der dortigenBevölkerung decken zu können. Im Moment fangen sie 2.000 Liter, mit den neuen Kollektoren werden es 2.500 Liter mehr.

Das ist nicht viel. Für was wird das Wasser verwendet?
Bisher wird das Wasser hauptsächlich im Kloster Padre Hurtado eingesetzt, in das monatlich circa 5.000 Pilger kommen, die Wasser zum Trinken und für die Hygiene brauchen. Mit dem Ausbau der Anlage sollen neben dem Kloster auch der angrenzende Ort Agua Salada vom Wasser profitieren: Dort ist geplant, einen Gemüsegarten zu bauen, der von den Frauen des Orts gepflegt und verwaltet werden soll. Durch den Verkauf von Gemüse und Obst an Pilger und an Reisende der nahen Pan Americana könnten sie ein eigenes Einkommen erzielen. Dies ist für sie eine der wenigen Möglichkeiten, Geld zu verdienen, da diese Gegend im Norden Chiles zu einer der ärmsten Regionen des Landes gehört. Aufgrund des Wassermangels ist bisher so gut wie kein Pflanzenanbau oder Viehzucht möglich. Im Sinne der sozialen Chancengleichheit und als nachhaltige Entwicklungsmöglichkeit ist das Projekt also langfristig sehr spannend und vielversprechend.

Und was haben die Nebelkollektoren mit der Chancengleichheit zu tun?
Mit mehr Wasser könnten wir die Produktivität erhöhen - durch die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes würde vieles besser werden. Die neuen Nebelkollektoren würden die Dorfentwicklung nachhaltig sichern und helfen, die Landflucht zu stoppen. Andere Projekte zeigten, dass Menschen, die aus Hoffnung auf bessere Lebensumstände ihr Dorf verlassen haben, zurückgekehrt sind, sobald Wasser zur Verfügung stand.

Teil II: Frau Schönhärl über den täglichen Ablauf an den Nebelkollektoren, Hilfsorganisationen und ihr Engagement für andere Menschen >>