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Vor-
und Hauptwaschgang
Anton Lutzenberger,
der seit 1995 Pflanzenkläranlagen baut und auf dem Gebiet wohl
den Guru von Wildpoldsried verkörpert, malt wild gestikulierend
einen riesigen Zylinder in die Luft und teilt ihn mit seiner rechten
Hand in drei imaginäre Kammern. Die erste Kammer muss laut
Bestimmung ein Volumen von mindestens 300 Litern pro Hausbewohner
fassen, erklärt Lutzenberger. Durch das Abwasserrohr wird zunächst
die erste Kammer gefüllt, wo sich die Feststoffe absetzen.
Durch einen Überlauf rinnt das Abwasser in die zweite Kammer,
dann in die die Dritte. Im Sediment sitzt die Biologie, sagt Lutzenberger
und erklärt, warum die Dreikammergrube seit Februar dieses
Jahres nicht mehr jährlich geleert werden muss. Mit dem
Schlamm war dann die Biologie weg, womit er die Mikroorganismen
meint, die sich im Sediment ansiedeln und das Wasser dort schon
zu einem guten Drittel vorreinigen.
Nach
der neuen Auflage bleiben maximal 40 Prozent der Feststoffe in der
Grube und nur noch alle zehn Jahre muss sie vollständig entschlammt
werden. So hat auch die nachfolgende Truppe Mikroorganismen im bepflanzten
Kiesbett noch freie Kapazitäten, Nährstoffe aufzunehmen.
Aus der dritten Kammer des unterirdischen Betonzylinders rinnt nur
noch das sogenannte Grauwasser, vorgereinigt und frei von Feststoffen,
in den Zulauf zum Pflanzenbeet. Ein quer verlaufendes durchlöchertes
Drainagerohr verteilt das Grauwasser auf die gesamte Breite des
länglich rechteckigen Beetes, wo es langsam die unterste Kiesschicht
durchfließt und quasi dem Hauptwaschgang unterzogen wird.
Darum bepflanzt man die Anlagen mit Sumpfpflanzen, betont Lutzenberger,
da es für sie kein Problem ist, ständig nasse Füße
zu haben.
Unkraut
vergeht
Dies ist zum
Nachteil der Unkräuter, die ganz einfach durch eine absichtliche
Überflutung des Pflanzenbeetes eliminiert werden können.
Lutzenberger stampft durch das Kies und öffnet eine Bodenklappe
am Ende des Beetes. Er beugt sich tief über die Öffnung
und weist auf den niedrigen Wasserstand von konstant zwanzig Zentimetern
hin. Das Knie des orangen Abflussrohres kann händisch nach
oben gedreht werden, wodurch das Wasser nicht mehr abfließen
kann, sich staut, das Beet überflutet und den Hausbewohnern
damit das mühsame Jäten erspart.
Den größten
Vorteil sieht Lutzenberger jedoch im energiefreien Betrieb. Die
Anlage wird abschüssig gebaut, das Wasser rinnt allein durch
das natürliche Gefälle vom Haus durch das System zum Ausfluss.
Nicht einmal der Winter bringt die Abwasserreinigung zum Erliegen,
was vor rund zehn Jahren bei Pumpen betriebenen Anlagen sehr oft
passierte. Zudem steht nur das unterste Viertel der 80 Zentimeter
hohen Kiesschicht im Wasser. Darüber wachsen die Pflanzen.
Beides schützt vor dem Einfrieren und ganzjährig vor Geruchsbe-lästigung,
nie ist die Wasseroberfläche sichtbar. Die Bakterien arbeiten
im Winter zwar etwas langsamer als im Sommer, bewältigen aber
ihre Aufgabe und unterbieten selbst bei Minusgraden die zulässigen
Ammoniumnitrat-Werte um 60 bis 80 Prozent, schätzt Bürgermeister
Zengerle fachmännisch. Mehrere Stellen prüfen regelmäßig
die Wasser-qualität, das Wasserwirtschaftsamt, unabhängige
Sachverständige, Klärwirte der Kommunen und der Hersteller
in Zusammenarbeit mit privaten Labors.
Wasser
kann zu sauber sein
Der Bürgermeister
erklärt, warum manchen Einwohnern das Wasser sogar zu sauber
sei. An der oberen Iller zum Beispiel hätten Angler keine Freude
mehr. Durch den verringerten Nährstoffeintrag in den Fluss
ist auch der Fischbestand mitunter soweit zurückgegangen, dass
den Anglern der Appetit aufs Fischen vergangen sei. Umso größer
ist die Begeisterung für das neueste Gemeindeprojekt, da sind
sich Bürgermeister und Fachmann einig.
Die kommunale
Kläranlage bekam vor eineinhalb Jahren Zuwachs. Die nachgeschaltete
Pflanzenkläranlage läuft zur Zeit noch im Probebetrieb
mit etwa 3.000 Litern pro Tag, was einer Abwassermenge von zwanzig
Einwohnern entspricht. Bald soll sie aber als fixe zusätzliche
Reinigungs-stufe eingesetzt werden. Die chemischen Analysen rechtfertigen
nach den eineinhalb Jahren Probezeit eine baldige Vergrößerung
der Pflanzenkläran-lage, mit der dann das Abwasser aller 2.000
Einwohner der Gemeinde noch sauberer werden soll. An eine Wiederverwendung
des gereinigten Brauch-wassers für Spülungen oder Bewässerung
ist beim Quellwasser-Reichtum des Allgäus aber nicht zu denken.
Die Abwasserge-bühren würden dadurch nicht verringert,
bedauert Bürgermeister Zengerle, da der variable Kosten anteil
nur etwa fünf Prozent ausmacht, rechnet er vor. Der ökologische
Gedanke hat also doch noch einen kleinen ökonomischen Haken.
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