Die Weisheit der Binsen

<< Zurück zu Teil I

Bericht von Daniela Kaulfus

 
 

 

 

Vor- und Hauptwaschgang

Anton Lutzenberger, der seit 1995 Pflanzenkläranlagen baut und auf dem Gebiet wohl den Guru von Wildpoldsried verkörpert, malt wild gestikulierend einen riesigen Zylinder in die Luft und teilt ihn mit seiner rechten Hand in drei imaginäre Kammern. Die erste Kammer muss laut Bestimmung ein Volumen von mindestens 300 Litern pro Hausbewohner fassen, erklärt Lutzenberger. Durch das Abwasserrohr wird zunächst die erste Kammer gefüllt, wo sich die Feststoffe absetzen. Durch einen Überlauf rinnt das Abwasser in die zweite Kammer, dann in die die Dritte. Im Sediment sitzt die Biologie, sagt Lutzenberger und erklärt, warum die Dreikammergrube seit Februar dieses Jahres nicht mehr jährlich geleert werden muss. „Mit dem Schlamm war dann die Biologie weg“, womit er die Mikroorganismen meint, die sich im Sediment ansiedeln und das Wasser dort schon zu einem guten Drittel vorreinigen.

Nach der neuen Auflage bleiben maximal 40 Prozent der Feststoffe in der Grube und nur noch alle zehn Jahre muss sie vollständig entschlammt werden. So hat auch die nachfolgende Truppe Mikroorganismen im bepflanzten Kiesbett noch freie Kapazitäten, Nährstoffe aufzunehmen. Aus der dritten Kammer des unterirdischen Betonzylinders rinnt nur noch das sogenannte Grauwasser, vorgereinigt und frei von Feststoffen, in den Zulauf zum Pflanzenbeet. Ein quer verlaufendes durchlöchertes Drainagerohr verteilt das Grauwasser auf die gesamte Breite des länglich rechteckigen Beetes, wo es langsam die unterste Kiesschicht durchfließt und quasi dem Hauptwaschgang unterzogen wird. Darum bepflanzt man die Anlagen mit Sumpfpflanzen, betont Lutzenberger, da es für sie kein Problem ist, ständig nasse Füße zu haben.

Unkraut vergeht

Dies ist zum Nachteil der Unkräuter, die ganz einfach durch eine absichtliche Überflutung des Pflanzenbeetes eliminiert werden können. Lutzenberger stampft durch das Kies und öffnet eine Bodenklappe am Ende des Beetes. Er beugt sich tief über die Öffnung und weist auf den niedrigen Wasserstand von konstant zwanzig Zentimetern hin. Das Knie des orangen Abflussrohres kann händisch nach oben gedreht werden, wodurch das Wasser nicht mehr abfließen kann, sich staut, das Beet überflutet und den Hausbewohnern damit das mühsame Jäten erspart.

Den größten Vorteil sieht Lutzenberger jedoch im energiefreien Betrieb. Die Anlage wird abschüssig gebaut, das Wasser rinnt allein durch das natürliche Gefälle vom Haus durch das System zum Ausfluss. Nicht einmal der Winter bringt die Abwasserreinigung zum Erliegen, was vor rund zehn Jahren bei Pumpen betriebenen Anlagen sehr oft passierte. Zudem steht nur das unterste Viertel der 80 Zentimeter hohen Kiesschicht im Wasser. Darüber wachsen die Pflanzen. Beides schützt vor dem Einfrieren und ganzjährig vor Geruchsbe-lästigung, nie ist die Wasseroberfläche sichtbar. Die Bakterien arbeiten im Winter zwar etwas langsamer als im Sommer, bewältigen aber ihre Aufgabe und unterbieten selbst bei Minusgraden die zulässigen Ammoniumnitrat-Werte um 60 bis 80 Prozent, schätzt Bürgermeister Zengerle fachmännisch. Mehrere Stellen prüfen regelmäßig die Wasser-qualität, das Wasserwirtschaftsamt, unabhängige Sachverständige, Klärwirte der Kommunen und der Hersteller in Zusammenarbeit mit privaten Labors.

Wasser kann zu sauber sein

Der Bürgermeister erklärt, warum manchen Einwohnern das Wasser sogar zu sauber sei. An der oberen Iller zum Beispiel hätten Angler keine Freude mehr. Durch den verringerten Nährstoffeintrag in den Fluss ist auch der Fischbestand mitunter soweit zurückgegangen, dass den Anglern der Appetit aufs Fischen vergangen sei. Umso größer ist die Begeisterung für das neueste Gemeindeprojekt, da sind sich Bürgermeister und Fachmann einig.

Die kommunale Kläranlage bekam vor eineinhalb Jahren Zuwachs. Die nachgeschaltete Pflanzenkläranlage läuft zur Zeit noch im Probebetrieb mit etwa 3.000 Litern pro Tag, was einer Abwassermenge von zwanzig Einwohnern entspricht. Bald soll sie aber als fixe zusätzliche Reinigungs-stufe eingesetzt werden. Die chemischen Analysen rechtfertigen nach den eineinhalb Jahren Probezeit eine baldige Vergrößerung der Pflanzenkläran-lage, mit der dann das Abwasser aller 2.000 Einwohner der Gemeinde noch sauberer werden soll. An eine Wiederverwendung des gereinigten Brauch-wassers für Spülungen oder Bewässerung ist beim Quellwasser-Reichtum des Allgäus aber nicht zu denken. Die Abwasserge-bühren würden dadurch nicht verringert, bedauert Bürgermeister Zengerle, da der variable Kosten anteil nur etwa fünf Prozent ausmacht, rechnet er vor. Der ökologische Gedanke hat also doch noch einen kleinen ökonomischen Haken.

Zum Inhaltsverzeichnis